Road to St. George (Utah)

Unerwartet und ohne damit gerechnet zu haben bekam ich, als vor kurzem AWA Silber Status ausgezeichneter Athlet, Ende Februar die Email mit der Einladung zur IRONMAN Weltmeisterschaft in St. George Utah (USA).

Nach kurzer Bedenkzeit habe ich zugesagt und mich angemeldet.

Jetzt hieß es planen… Flüge, Unterkunft, Equipment, etc… alles muss mit, oder für den Renntag am 07. Mai vor Ort organisiert werden.

Nach einer improvisierten 2-monatigen Vorbereitung, etwas ausgebremst durch einen Kleinen-Zeh-Bruch, ging es dann 4 Tage vor Start mit dem Flieger los Richtung Las Vegas. Nach 11,5 Stunden Flug folgte von dort nochmal eine 2 Stunden Autofahrt mit dem Mietwagen nach St. George. Jetzt noch einchecken im Hotel und schlafen.

Mittwoch, noch 3 Tage bis zum Start. Nach einem lockernden Morgenlauf bei strahlender Sonne ging es das erste Mal zum Event-Gelände. Ein erster Hauch von internationalem Flair wehte einem entgegen, die ersten Erinnerungsfotos vor den Eventbannern werden gemacht, bis es anschließend zum Athleten-Check-In geht, um die Startunterlagen abzuholen. Es folgte eine kurze Runde über die Expo und durch den Merchandise Store (natürlich wurden Andenken gekauft!) und dann musste ich noch mein Leih-Rad (Cervelo P3) vom Event-Partner „Racedaywheels“ anholen. Nach kurzer Einstellung und Testfahrt ging es mit allen Sachen zurück zum Hotel. Am Nachmittag habe ich eine kleine Runde auf dem Leihrad entlang der Radstrecke absolviert, um mich mit dem Rad und auch den Streckengegebenheiten vertraut zu machen. Ich muss sagen, das Rad macht jetzt schon Spaß!

Donnerstag, noch 2 Tage bis zum Start. Nach dem Frühstück stand der Practice Swim auf dem Plan. Mit dem Auto ging es dann wieder über Teile der Radstrecke zum 25km entfernten Sand Hollow Reservoir, um die Gegebenheiten kennenzulernen. Nach langem Anstehen am Schwimmstart konnte ich dann endlich ins 15 Grad kalte Wasser und meine 2 kurzen Runden (1.100m) schwimmen. Über weitere Teile der Radstrecke ging es auf einem anderen Weg, mit einem Schlenker durch den Snow Canyon, zurück nach St. George, um nachmittags nochmal eine kleine Runde laufen zu gehen, bevor die Wechselbeutel gepackt und alle Utensilien verstaut werden mussten.

Freitag, noch 1 Tag bis zum Start. Der Freitag bestand darin, das Equipment nochmal auf Vollständigkeit zu prüfen und das Fahrrad und die Wechselbeutel einzuchecken. Im Anschluss entspannen am Pool und zeitnah ins Bett zu kommen.

Samstag. 07. Mai 2022. Race Day. Der Wecker klingelt um 02:45 Uhr und das Frühstück besteht aus 3 Scheiben Toast mit Marmelade und einer Tasse Kaffee.

Anziehen, die restlichen Sachen zusammengepackt und los geht es zum Shuttle Bus Richtung Schwimmstart. Dort angekommen wird das Fahrrad final vorbereitet und der Neopren schon mal bis zur Hüfte angezogen. Es ist 06:15 Uhr, die ersten Sonnenstrahlen blinzeln über die Berge der Rocky Mountains, die Startkanone vom Pro Start ist laut und deutlich zu hören. Das war der Moment, in dem man realisiert, es geht wirklich gleich los. Anspannung, Nervosität, aber auch leichte Vorfreude steigen in einem auf. Meine Altersgruppe wird aufgerufen sich bereit zu machen. Pünktlich um 07:05 Uhr heißt es dann… 3… 2… 1… GO !!!

Das Abenteuer Ironman Weltmeisterschaft startet. Rein ins Wasser, den „Kälteschock“ überwinden und den Rhythmus finden. Vom Gefühl läuft es gut. Der Rhythmus und die Atmung stimmen. Entgegen einiger vorheriger Bedenken bezüglich der Wassertemperatur schwimmt es sich gut durch das Süßwasserreservoir. Noch einmal links um die Boie und dann ist nach 3,8 km und 1:09:09 Std. die erste Disziplin geschafft.

Nach einem ruhigen Wechsel ohne Hektik in T1 heißt es jetzt 180,2 km auf dem Rad die hügelige/bergige Radstrecke zu meistern. Die Sonne erstrahlt über das Weit von Utah und heizt die Luft nach und nach auf über 30 Grad auf. Das hält mich trotzdem nicht ab, die malerische Landschaft während der Fahrt zu bestaunen. Die Radstrecke ist anspruchsvoll. Ein ständiges auf und ab, kaum flache Passagen, aber immer wieder Zuschauer am Straßenrand, die lautstark alles anfeuern, was vorbei fährt. Kilometer 90, die Hälfte ist geschafft und nach einem kurzen Stück durch St. George geht es weiter in den Gunlock State Park. Es folgt ein 30 Kilometer Teilstück mit einer permanenten Steigung und dem abschließenden Highlight „The Wall“ am Ende. Nach einem eher abschüssigen Teil zurück Richtung St. George geht es nach 150 gefahrenen Kilometern auf die 2. Runde mit einem letzten Anstieg durch den Snow Canyon. Eine wunderschöne Strecke, atemberaubende Landschaft, aber knackige, kurze Anstiege rauben einem die vermeintlich letzte Kraft in den Beinen. Oben angekommen heißt es wieder „bergab“ und die Beine für den anstehenden Marathon lockern. Runter vom Rad und ab in T2. Radzeit nach 180,2 km und 2.250hm – 6:14:25 Std.

Auch hier gilt, in der Ruhe liegt die Kraft. Radsachen ausziehen, die Laufsachen anziehen und los geht es auf 42,195 km mit beängstigenden 431 hm. Die ersten 7 Kilometer läuft alles noch „nach Plan“, wenn man „Spaß haben und Ankommen“ als Wettkampfplan definieren möchte. Doch dann meldet sich der Magen, ein Unwohlsein und Drücken. Das Laufen wird durch immer häufigere und immer länger werdende Gehpausen unterbrochen. Bei Kilometer 18 der Tiefpunkt, ich muss einsehen, dass an Laufen nicht mehr zu denken ist. Mit Blick auf die Uhr geht das Rechnen los. „Wie lange brauche ich wohl bei 11:00 Min/km für die restlichen 24 Kilometer?“. Die nächsten 16 Kilometer passiert nicht viel. Ich gehe spazieren, jede Verpflegungsstation wird zur Abkühlung mit Eis-/Wasser genutzt und ich unterhalte mich mit zahlreichen Leidensgenoss*innen auf der Strecke, aber ans Aufgeben verliere ich keinen Gedanken! Die Hartnäckigkeit sollte noch belohnt werden. Nach knappe 2,5 Std Spaziergang wage ich den nächsten Versuch. Der Magen bleibt ruhig, ich kann wieder Laufen. In einem angenehmen 6:30/km-Tempo geht es von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation, die ich weiterhin als Gehpausen zur Erfrischung und Erholung nutze, immer weiter Richtung Ziel. Die 42,195 km neigen sich tatsächlich dem Ende zu und der Gedanke, den roten Teppich bald zu Gesicht zu bekommen, zaubert mir immer öfter bereits ein Lächeln ins Gesicht.

Der letzte Kilometer, angetrieben von einem Gefühl, ähnlich dem Runner’s High, verfliegt wie im Nu und ich habe es tatsächlich geschafft. Ganz alleine geht es auf den roten Teppich und mit einem letzten lautstarken Support von den Zuschauern auch endlich durch den Zielbogen. Laufzeit – 5:17:11 Std.

Ein erlösender Aufschrei und in die Luft gestreckte geballte Fäuste sind eindeutige Zeichen der Freude und Erleichterung. Das große Ziel, einmal bei einer Weltmeisterschaft zu finishen, ist tatsächlich geschafft. Überglücklich mit der ersehnten Medaille um den Hals gerät die Zielzeit von insgesamt 13:01:32 Std. am Ende zur Nebensache.

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